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Urlaub auf Teneriffa"Urlaub auf Teneriffa" - Buchumschlag

Hier ein Auszug aus dem Manuskript zu meinem Roman.
Erschienen: Frankfurt/Main : R. G. Fischer, 1999.
110 S. ; 21 cm
(Edition Litera), ISBN 3-89501-835-X
Bestellbar u. A. bei buchhandel.de

Es war spätabends, als ein Mann mittleren Alters sich aus dem Schlafzimmerfenster lehnte, das er geöffnet hatte, um frische Luft hereinzulassen. Seine Augen schweiften über halbverblühte Ziersträucher, die im fahlen Mondlicht kaum zu erkennen waren. In der graugrünen Gartenhecke aus Holunder und Weißdorn krächzte eine Nachteule ihr langgezogenes Uh-hu-hu. Danach herrschte gespenstische Stille. Der helle Schein vieler Lichter der nahen Stadt wurde von tiefhängenden, rötlich glänzenden Wolken reflektiert. Leise, still verhallend schlug eine Kirchturmuhr die zehnte Abendstunde. 

Abgespannt und müde gähnte der Mann hinter seiner vorgehaltenen Hand. Er drehte sich langsam um, und seine Augen musterten kritisch die kräftige Statur, die im großen Wandspiegel an der linken Schlafzimmerseite verschwommen zu erkennen war. Ein leicht vorstehender Bauch wurde vom straff anliegenden Ledergürtel zusammengehalten. Die ersten silbergrauen Haarsträhnen zeigten sich auf seinem klug geformten Kopf und erinnerten ihn daran, daß die schönsten Jugendjahre bereits vorüber waren. 

Ein trotziges Lächeln erhellte seine Gesichtszüge, als er auf zwei blütenweiße, frisch bezogene Ehebetten blickte, die an der gegenüberliegenden Seite vom Fenster standen. Das Bild über den Betten, eine Landschaftsidylle aus dem Schwarzwald, hing etwas schief an der Wand. Mit leichtem Fingerdruck rückte er es gerade, ging einen Schritt zurück, um es besser betrachten zu können. Was er nun sah, erinnerte ihn wehmütig an Sommerurlaubstage in einer Waldpension, die er vor langer, langer Zeit mit seiner Frau verbracht hatte. 

Aufseufzend ließ er sich auf einen Stuhl neben dem weißpolierten Nachtschränkchen fallen, um die leichten Straßenschuhe auszuziehen, in denen er entgegen seiner Gewohnheit ins Schlafzimmer gekommen war. Achtlos stellte er die leicht angestaubten Schuhe beiseite, steckte seine Füße in Hauspantoffeln und ging ins Badezimmer. Er bereitete sich für die Nachtruhe vor. Im buntgemusterten Schlafanzug streckte er seine Arme nach hinten und nach vorn, schüttelte sich und stellte zufrieden fest, daß er noch recht gelenkig war. Die Abendtoilette war schnell verrichtet, und gedankenversunken deckte er die Merino-Schafwolldecke auf, um sich ins Bett fallen zu lassen. Er tastete nach dem Schalter an der Nachttischlampe. 

In diesem Moment erschreckte ihn lautes Telefonklingeln: 
„Trrrr - trrrr - trrr."
Der Mann zuckte zusammen, schüttelte den Kopf und griff nach dem Zimmerapparat.
"Wer ruft jetzt noch an und stört mich mitten in der Nacht?" murmelte er leise vor sich hin. „So eine Unverschämtheit.“
Ehe er den Hörer ans Ohr gepreßt hatte, schellte es zum zweiten Mal: " Trrr - trrr - trrrr", mit unbarmherzig lautem, schrillem Ton.
Nicht gerade höflich meldete er sich "Gleiwitzer...." und lauschte angestrengt in die Hörermuschel. Es ist nicht zu fassen, und leise fluchend unterdrückte er ein laut gedachtes: Verdammt noch Mal. Er hörte wirklich nichts, nicht den leisesten Ton. Nur das leise Rauschen der eingeschalteten Fernverbindung brummte gleich einem Hornissenschwarm.
Nervös geworden, rief er etwas lauter in die Sprechmuschel: "Hallo, Hallo, wer ist denn da? Melden Sie sich doch.“ Seine Frage blieb unbeantwortet. Leises Klicken zeigte ihm an, dass jemand aufgelegt hatte. Verärgert streifte er das Kopfkissen auf der rechten Bettseite glatt, musterte das tadellos weiße Laken und wollte sich darauf lang ausstrecken. 

Da - es schellte wieder. Das erste Klingelzeichen war noch nicht ganz verhallt, als der Angerufene zum zweiten Mal den Hörer ans Ohr preßte und wieder angestrengt lauschte. Es war nichts zu hören - Totenstille. Es hatte keinen Zweck, den Telefonhörer noch länger in der Hand zu halten, es meldete sich niemand. Es sah danach aus, als ob jemand ihn absichtlich ärgern wollte. 

Er konnte nicht ahnen, daß seine Frau versuchte, ihn zu erreichen. Mißmutig schob er den Apparat zur Seite, schaltete die Leselampe ein und blickte fragend auf die zweite Hälfte des Ehebetts. Es graute ihm vor der Nacht. Die Müdigkeit war wie weggeblasen. 

Angestrengt überlegte er: Wer kann das wohl gewesen sein, der nächtliche Anruf hatte doch eine Bedeutung? Ist es vielleicht Marianne, die mich sprechen will? Er zweifelte daran. Noch lange klangen ihm die vorwurfsvollen Sätze seiner Frau am Frühstückstisch in den Ohren: Du brauchst gar nicht auf mich zu warten, ich verreise noch heute, wohin, das wirst du noch erfahren. Aufgeregt, fast hysterisch fuhr sie mit ihren Vorwürfen fort: Du bist schuld daran, wenn ich die Nase gestrichen voll habe, nie hast du Zeit für mich, immer nur arbeiten, arbeiten und noch mal arbeiten. Wenn du mit deiner Arbeit verheiratet bist, dann arbeite dich doch zu Tode, aber laß mich bitte aus dem Spiel, ich will leben, aber nicht mit so einem wie du! Wutentbrannt hatte sie die Tür zugeschlagen und sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Ohne mit ihr ein klärendes Gespräch führen zu können, mußte er früh aus dem Haus, um rechtzeitig an einer Personalversammlung in seiner Maschinenfabrik teilzunehmen. Und nun war er allein. 

"Ach was, papperlapapp, alles Quatsch und Unsinn!" Mit einer müden Handbewegung versuchte er die häßlichen Worte seiner Frau zu verscheuchen. Schlafen wollte er jetzt, nichts anderes als schlafen. Aber auf Kommando zu schlafen, wer kann das schon? Durstgefühl stellte sich bei ihm ein. Er nahm aus dem Kühlschrank eine Colabüchse, öffnete sie und trank langsam daraus.

"Verflixt nochmal", schimpfte er leise vor sich hin, „Frauen sind doch kompliziert. Wenn nicht alles hundertprozentig verläuft, wie sie es sich vorstellen, werden sie unausstehlich. Es gibt für sie keinen vernünftigen Grund, einfach wegzulaufen. Ich kann doch nicht zaubern, die Fabrik bringt eben nicht mehr so viel ein wie früher. Alle müssen sparen, nur sie will oder kann es nicht. Ein verwöhntes Luder ist sie schon, meine sogenannte bessere Ehehälfte.“ 

Nachdenklich fuhr der erboste Ehemann, zu sich redend, fort:
"Vorige Woche hat sie den Mercedes zu Schrott gefahren, sie kann doch nicht heute schon erwarten, daß ich ihr zum Frühstück einen neuen Wagen schenke. Nächste Woche hat sie Geburtstag, da hätte ich ihr sowieso einen neuen Sportwagen gekauft." 

Alfred Gleiwitzer war nicht nur auf seine Frau wütend, nein, er ärgerte sich auch über einen langjährigen Geschäftsfreund.
"Ach ja, Schlüter, der alte Haudegen", fuhr er selbstredend fort, "der muß mich ausgerechnet heute enttäuschen. Er sollte mich besuchen, er hatte zugesagt, wo mag er nur steckengeblieben sein? Er war doch sonst so pünktlich, wenn man ihn brauchte!" 

Öfter hatte sich Gleiwitzer mit ihm auf Messeausstellungen getroffen, und nie hatte er einen Grund gehabt, sich über ihn zu beklagen. Schlüter war wie Gleiwitzer in der Maschinenbranche tätig, von ihm erwartete er in einer wichtigen persönlichen Angelegenheit Hilfe und Ratschlag. Zum ersten Mal wollte er sich mit ihm in seiner Villa treffen, um den sonst so dienstlichen Charakter von Geschäftsbesprechungen zu vermeiden. Der Geschäftsfreund sollte abends um sieben Uhr bei ihm im Haus in der Corellistraße eintreffen. Gleiwitzer hatte sich darauf eingestellt und war enttäuscht, als er nach langem Warten die Hoffnung aufgegeben hatte, ihn noch am selben Tag zu sehen. Er war früher als üblich aus dem Büro in seiner Maschinenfabrik nach Haus gekommen. Dem älteren Hausmeister hatte er aufgetragen, den zu erwartenden Geschäftsfreund aus Hamburg hereinzubitten, wenn er früher gekommen wäre, aber leider, er kam nicht. 

Gleiwitzer richtete sich mißmutig auf, setzte sich auf einen Sessel vor dem Nachttischchen und notierte auf einem Schreibblock: 25.9.1998 zweimal abends Telefon, keine Verbindung. Es war schon nach elf Uhr, als er sich ins Bett legte. Er drehte sich auf die rechte Seite und versuchte einzuschlafen. Aber so schnell fand er keinen Schlaf.

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