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Aus dem Leben eines ungeliebten Kindes

GudrunAls ich kurz nach dem Weltkrieg am zweiten April 1949 in Mainz am Rhein geboren wurde, waren meine Eltern Anton und Elisabeth M. stolz auf ein hübsches Mädchen, das sie Gudrun nannten. Wie das Schicksal es so will, meine Mutter war nicht erfreut über meine Geburt, sie hatte sich in dieser Zeit in einen anderen Mann verliebt und im zarten Alter von sechs Wochen, wurde ich ihrer Mutter, das heißt meiner Oma zur Pflege gegeben. Und so wurde ich viele Jahre von der überforderten Oma versorgt, und in meinem heutigen Alter von mehr als 50 Jahren meine ich, schon damals gespürt zu haben, dass mir die richtige Mutterliebe fehlte.

Als ich zur Schule gehen sollte, übergab mich meine Großmutter in die Obhut von einem Kloster in Wiesbaden-Biebrich Marienhaus, wo ich meine Jugendjahre verlebte und auch in die Volksschule besuchen musste. Ich lernte dort deutsche Zucht und Ordnung kennen, die mir manchmal mit dem Rohrstock beigebracht wurde. Noch vor dem Frühstück mussten die Nonnen und wir Kinder beten und singen. Nach einem kargen Essen, musste ich bei vielen Arbeiten helfen, oft und viel, und das Kinder spielen, davon konnte ich nur träumen.

Mein Vater, der ein großer, schlanker Mann war, hatte sich wenig um mich gekümmert, und so hatte ich immer das Gefühl von den Eltern nicht geliebt zu werden. Er war zwanzig Jahre älter als meine Mutter und arbeitete als Bilderbuchdrucker, wobei er wenig verdiente, zumal er oft hinter anderen Frauen herschaute und sich mit ihnen vergnügte. Er arbeitete auch zeitweilig als Straßenbahnfahrer in Mainz, und er brachte seine Frauenbekanntschaften manchmal nach Hause, wo sie auch oft übernachteten, und meine Mutter musste dann in der Küche schlafen. Mein Vater, den ich nie richtig kennen gelernt habe, ist schon 1975 an starkem Asthma verstorben.

Ich muss noch erwähnen, dass meine Mutter ihren ersten Sohn Dieter mit 14 Jahren bekam, der mein Halbbruder war, und ein Jahr später bekam sie noch ein Mädchen meine Halbschwester, die ich bis heute nicht kennen gelernt habe. Als meine Mutter 28 Jahre alt war, ließ sie sich von meinem Vater scheiden und in dieser Zeit wurde ich geboren. Diese lange Pause war vermutlich der Grund, warum sie sich in einen Mann aus Österreich verliebte, der aber die drei Kinder meiner Mutter nicht mochte, was ich indirekt auch zu spüren bekam.

Der Schock meines Lebens kam mit 13 Jahren, als ich eines Tages einer Frau vorgestellt wurde, und man mir sagte, das sei meine wirkliche Mutter. Das Zusammenleben mit meiner Mutter gestaltete sich sehr problematisch. Sie war sehr misstrauisch. Ich durfte nicht mir Freundinnen ausgehen, obwohl ich als junges Mädchen gern tanzen ging. Als ich einen gleichaltrigen netten Jungen kennen lernte, ließ mich meiner Mutter vom Arzt untersuchen, ob ich noch Jungfrau sei? Ich kannte zu dieser Zeit eine liebe Freundin namens Angelika, bei ihr suchte ich Trost und Verständnis. Manchmal bin ich nicht nach Haus gekommen, Mutter ließ mich von der Polizei suchen und zwangsweise heimbringen.

Als ich das letzte Mal von meiner Mutter weg lief, lernte ich den späteren Vater meines Sohnes kennen, der leider ein Zuhälter war. Ich tat alles für ihn, damit ich nicht wieder zu meiner Mutter zurück musste. Meine Mutter, die heute 84 Jahre alt geworden ist, lebt in einem Altersheim für Alzheimerkranke in Mainz-Mombach. Ich rufe sie einmal im Monat an, aber sie kann sich nicht entsinnen, wer ich bin. Trotzdem rufe ich sie jeden Monat an. Ich habe ihr schon lange vergeben, für alles das sie mir angetan hat. Sie ist ja immer noch meine Mutter, und heute weiß ich, vielleicht hätte ich genau so gehandelt wie sie.

Ohne es zu wollen wurde ich eine Hure mit 18 Jahren, die viel Geld verdiente. Aber als ich mit meinem Sohn schwanger wurde, habe ich sofort damit aufgehört. Mein erstes Kind wurde im September 1969 unehelich geboren, und ich nannte ihn Thorsten. Sein Vater, mit dem schönen Namen Manfred, war ein nichtsnutziger Zuhälter, der sich nie um den netten Nachwuchs gekümmert hat. Mein Sohn wurde leider im Jahre 2000 geschieden und muss für seine drei Kinder Kindergeld bezahlen. Kurioserweise versteht er sich mit seiner geschiedenen Frau Jessica heute besser als sie noch mit ihm verheiratet war. Er arbeitet als ausgebildeter Krankenpfleger und warum er sich scheiden ließ, konnte ich nie erfahren. Ob er als Alkoholiker seine Scheidung selbst verschuldete, kann ich nur vermuten.

Und nun wieder zurück in meine Jugendzeit. Damals gingen viele junge Leute in eine amerikanische Disco, wo tolle Country-Musik gespielt wurde, die ich gern hörte. Dort habe ich später meinen Ehemann, einen netten amerikanischen Soldaten kennen gelernt, der mich unbedingt heiraten wollte. Verliebt und jung wie ich war, habe ich ja gesagt und nach kurzer Zeit wurde mein Ami aus der Armee entlassen, weil er gehascht und oft zu viel getrunken hatte. Mein netter Amerikaner namens Gary Douglas war erst 23 Jahre alt, und ich schon 31 als ich ihm am 7.4.1982 das Jawort gab. Nachdem er aus der US Army entlassen wurde, mussten wir sofort in die USA zurück. Wir hatten nicht viel Geld, also wohnten wir für einige Zeit bei seinen Eltern im Staate Wisconsin. Als mein Mann eine Arbeit in Minneapolis im Staate Minnesota bekam zogen wir nach Hopkins, kauften ein bescheidenes Haus, wo ich noch heute wohne.

Mit meinem Ehemann Gary lebte ich schlecht und recht. Aber er hat immer wieder getrunken und mit seinen Freunden Drogen genommen. Er hat mich sogar geschlagen, seine Trinkkameraden haben zugeschaut und gelacht und mir nicht geholfen. Weil mein Mann 8 Jahre jünger war als ich, wollte er auch ein Kind von mir. In den ersten 6 Jahren unserer Ehe gelang es mir nicht, schwanger zu werden. Nach einer Schilddrüsenoperation die im Jahre 1984 vorgenommen wurde, wurde ich nach 6 Wochen schon schwanger. Gary fing wieder an zu trinken und Drogen zu nehmen. und seine Kumpels schauten zu wie er mich schlug und misshandelte. Ich brachte unsere Tochter Natascha am 11. März 1985 zur Welt. Ich war erst in der 29. Schwangerschaftswoche als ich sie geboren habe. Sie war leider eine Frühgeburt und sie lebte nur 36 Stunden. An dem Tag als dieses geschah hat mich mein Mann wieder Mal verprügelt, weil er mit seinen Kumpels Drogen genommen hatte. Meine kleine Natascha wurde von der Armee nach Minnesota geschickt und auf dem Soldatenfriedhof begraben. Wir waren zu dieser Zeit noch in Deutschland und nur seine Familie nahm an der Beerdigung teil. Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er sehr gemein zu mir und meinte, ich wäre eine alte Frau, die keine Kinder mehr bekommen könnte. Ich war zu dieser Zeit 37 Jahre alt. Nach ein paar Wochen, sagte er, es täte ihm Leid und wir sollten es nochmal mit einem Kind versuchen. Da ich ihn immer noch liebte, verzieh ich ihm wieder und wurde auch bald wieder schwanger. Dieses Mal war die Schwangerschaft gut verlaufen, und es gab auch nur manchmal Streit mit ihm, aber dies sollte nicht lange halten. Zwei Wochen bevor dem Geburtstermin, prügelte er mich so furchtbar, er hüpfte auch auf meinen Bauch, und ich war hin gefallen weil er mich geschlagen hatte. Die Folge war eine Totgeburt, wieder ein Mädchen, das auch auf einem Soldatenfriedhof begraben wurde. Ich hatte mich in meinen Gary sehr verliebt, ich war 29 Jahre alt und er erst 22. Anfangs wollte ich ihn nicht heiraten, aber er hat nicht aufgegeben, bis ich ja gesagt habe. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir schon nach 3 Monaten geheiratet, aber ich wartete bis zum 7. April 1982.

Nach fast 17 Jahren Ehemartyrium wurde ich am 28. September 1998 geschieden. Mein geschiedener Ehemann Gary lebt heute auch im US Staate Minnesota in der Stadt Cambridge. Er ist immer noch mit der Frau seines toten Freundes zusammen. ob er diese geheiratet hat, weiß ich nicht, denn wir haben keinen Kontakt zusammen. Gary hat mich mit allen Problemen allein gelassen und hat nach der Scheidung nie wieder mit mir gesprochen oder etwas von sich hören lassen.

Zum Schluss meiner Lebensgeschichte wollte ich noch erwähnen, dass ich schon im ersten Jahr nachdem ich in die USA gekommen war, starkes Heimweh bekam. Und heute, seitdem ich allein in einer fremden Welt leben muss ist es natürlich noch schlimmer geworden. Wenn ich finanziell besser dastehen würde, dann würde ich sofort wieder nach Deutschland zurück fahren. Ich stelle mir oft die Frage, wer an meiner verfahrenen Situation mitschuldig ist, und es lässt sich so beantworten. Es war die Unerfahrenheit von jungen und die Unverantwortlichkeit von älteren Menschen ( Eltern), Der Hauptgrund ist immer wieder, warum so viele Menschen in Not und Elend geraten, um so mehr, wenn noch der Altersunterschied und die Nationalität eine Rolle spielen. Darum kann ich nur allen jungen Menschen sagen, seid vorsichtig und hört auf lebenserfahrene Menschen. Die Reue kommt meist zu spät.

Ich hatte aber auch noch Glück. denn ich habe viel und oft gearbeitet. Zeitweilig hatte ich Gott sei Dank ein gutes Einkommen, ich war Buchhalterin in einer großen Firma und verdiente ausreichend Geld. Leider konnte ich diesen Beruf nicht lange ausüben, da ich wegen meiner vielen Schreibtätigkeiten eine Wundverletzung bekam und seit 2002 wurde ich acht Mal an der rechten Hand operiert. Mein Hausarzt hat für mich die Frührente eingereicht, die auch bewilligt wurde. Heute lebe ich in einem kleinen Haus, das mein geschiedener Mann mir überlassen musste. Ich wollte auch noch erwähnen, das ich nach der Scheidung zuckerkrank geworden bin. Mein Arzt meinte, ich hätte diese Krankheit von Stress bekommen, da niemand in meiner Familie Diabetiker wäre. Für das Haus muss ich auch noch abbezahlen. Ich wollte im Leben glücklich sein, geliebt werden und jetzt bin ich alleine und einsam, aber das Leben geht immer weiter bis das Schicksal uns erlöst.

Ich danke herzlich meinem Mailfreund Gerhard Rieger aus Düsseldorf für seine nette Hilfe beim Aufschreiben meiner Lebensgeschichte.